Walter Orlov

Relativistische Zwillinge

Der Übergang von Lorentzscher Äthertheorie zur Einsteinschen Relativitätstheorie generierte ein Problem. Bei Lorentz ist die Zeitdehnung immer real. Die Anwendung der Relativität bedingt aber eine symmetrische Betrachtung, die oft als wechselseitige Zeitdilatation bezeichnet wird. Selbstverständlich betrifft dasselbe die Längekonraktion. Bewegen sich zwei Beobchter relativ zu einander, kann jeder von ihnen behaupten, dass beim Anderen die Uhr langsamer geht bzw. der Andere abgeplattet aussieht. Um zur bleibenden Verlangsamung der Zeit zu gelangen, braucht man einen komplizierteren Vorgang, als nur eine Momentaufnahme. Das sogenannte Zwillingsparadoxon ist die richtige Wahl. Die Idee lieferte Einstein selbst, obwohl an ein Paradoxon hätte er offensichtlich noch nicht gedacht:

"Befinden sich in A zwei synchron gehende Uhren und bewegt man die eine derselben auf einer geschlossenen Kurve mit konstanter Geschwindigkeit, bis sie wieder nach A zurückkommt, was t Sek. dauern möge, so geht die letztere Uhr bei ihrer Ankunft in A gegenüber der unbewegt gebliebenen um ½t(v/V)2 Sek. nach." (Link

Später kam das Zwillingspaar ins Spiel: Ein der Zwillinge unternimmt die Reise durch das Weltall und als er zurückkommt, ist sein Bruder um einiges älter als er selbst. Menschliche Schicksale machten die Geschichte aufregend... Aber achten wir lieber auf das Wort "Paradoxon" nicht, sonst beginnen wir vorangenommen zu denken. Es gibt hier kein Paradoxon. In diesem Fall ist das nur eine Wortkombination, die absichtlich eingeführt wurde. Man wolle vermutlich das Publikum unterhalten, nicht weiter. 

Wie ich hier erfahren dürfte, lässt sich das Zwillingsparadoxon wahrscheinlich am einfachsten mit Hilfe vom relativistischen Dopplereffekt darstellen. Vorteilhaft kann man dabei Beschleunigungs- bzw. Bremsphasen ganz außer Acht lassen. 

Entfernen sich Sender und Empfänger voneinander, ändert sich die empfangene Frequenz elektromagnetischer Welle folgendermaßen: f = f0[(1 – v/c)/(1 + v/c)]1/2, wobei f0 die Frequenz elektromagnetischer Welle im Bezugssystem des Senders ist und v die Geschwindigkeit ist, mit der sich Sender und Empfänger relativ zueinander bewegen. Um mit einfachen Zahlen später zu rechnen, wird für ein anschauliches Beispiel oft v = 0.8c gesetzt. So ergeben sich folgende zwei für uns relevante Frequenzen:

Sender und Empfänger entfernen sich voneinander: f = f0/3;

Sender und Empfänger nähern sich einander: f = 3f0

Jeder Zwilling bekomm einen Sender, der mit einer festen Frequenz f0 = 1 Hz die Funksignale sendet. Er dient stellvertrettend für eigene Uhr des jeweiligen Zwillings. Man kann die Funksignale zählen und somit gleich sehen, wieviel Sekunden bei anderem Zwilling vergangen wurden. 

Ein der Zwillinge unternimmt die Reise zum nächsten Stern. Proxima Centauri ist ca. 4.2 Lichtjahre entfernt. Einfachheitshalber berechnen wir alle Beschleunigungs- bzw. Bremsphasen mit 0 Sekunden. Er startet mit v = 0.8c. Im Bezugssystem der Erde erreicht er den Stern in 4.2 Lichtjahre / 0.8c = 5.25 Jahren. Zusammen mit dem Rückflug ergeben sich 10.5 Lichtjahre. Für den auf der Erde gebliebenen Zwillig vergehen also 10.5 Jahre. Weil sich der reisende Zwilling relativ zum erdgebundenen Zwillig die ganze Zeit mit 0.8c bewegt hat, vergehen bei ihm wegen der Zeitdehnung 10.5 Jahre (1 – v2/c2)1/2 = 6.3 Jahre. Aber, wie es oben schon erwähmt wurde, ist die Zeitdehnung wechselseitig. Der reisende Zwilling würde die Formel für die Zeitdehnung nicht für sich selbst, sondern für seinen Bruder auf der Erde einsetzen. Ja, er darf das auch gern machen, trotzdem wird das Ergebnis dasselbe sein... Das belegt die Rechnung mit dem relativistischen Dopplereffekt.

Während der Hinreise zum Stern entfernen sich die Zwillinge voneinander. Daher beträgt die Frequenz der empfangenen Funksignale wie oben berechnet nur ein Drittel von der Referenzfrequenz: f0/3. Das sehen zwar beide Zwillige, aber verschieden lang. Für den erdgebundenen Zwilling gibt es zwei Zeitabschnitte. Es ist die Zeit, die der reisende Zwilling braucht, um den Stern zu erreichen. Wir haben das bereits berechnet: 5.25 Jahre. Aber der erdgebundene Zwilling sieht das nicht sofort, die Nachricht erreicht ihn erst 4.2 Jahre später ( = der Abstand zwischen Erde und Stern geteilt durch die Lichtgeschwindigkeit). Insgesamt sind es 9.45 Jahre, multipliziert mit ein Drittel der Referenzfrequenz, ergeben sich 3.15 Jahre f0 Funksignale. Da wir vorher absichtlich f0 = 1 Hz gewählt haben, beträgt die Dauer zwischen den Funksignalen exakt 1 Sekunde eigener Zeit. Deshalb entspricht die Zahl der Funksignale von 3.15 Jahre f0 genau der vergangenen eigenen Zeit von 3.15 Jahren. 

9.45 Jahre nach dem Start sieht der erdgebundene Zwilling seinen Bruder zurückkehren. Die empfangene Frequenz ist dabei dreimal höher als Referenzfrequenz, aber bis zur Ankunft bleiben nur 10.5 Jahre – 9.45 Jahre = 1.05 Jahre übrig. Als Folge ergeben sich wieder 3.15 Jahre f0 Funksignale. 

Halten wir also fest: Aus der Sicht des auf der Erde gebliebenen Zwilling hatte der reisend Zwilling sowohl für die Hinreise als auch für die Rückreise jeweils 3.15 Jahre gebraucht, insgesamt 6.3 Jahre. Das ist nicht so weit überraschend, weil wir dasselbe Ergebnis vorher einfach mit der Formel für die Zeitsdehnung bekommen haben. Interessant ist eben anders: Was sieht der reisende Zwilling?

Wegen der Längekontraktion erscheint dem Reisenden die Flugstrecke bis zum Stren um Faktor (1 – v2/c2)1/2 = 0.6 kürzer: 4.2 Lichtjahre 0.6 =  2.52 Lichtjahre. Deshalb passiert er sie in 2.52 Lichtjahre / 0.8c = 3.15 Jahren. Sein Zwillingsbruder auf der Erde lag wohl richtig mit seiner Rechnung. Aber wie hat er aus der Sicht des reisenden Bruders inzwischen gealtert? Der reisende Bruder multipliziert seine Reisedauer mit der empfangener Frequenz, die einem Drittel der Referenzfrequenz gleicht, und bekommt 3.15 Jahre f0/3 = 1.05 f0 Funksignale. Sein Bruder auf der Erde hat tatsächlich langsamer gealter. Das wechselseitige Zeitdehnung hat sich bewahrt... aber nur bis zu diesem Zeitpunkt. Nach der Umkehr empfängt der reisende Zwilling sofort das Dreifach der Referenzfrequenz und das resultiert sich in 3.15 Jahre 3f0 = 9.45 Jahre f0 Funksignale. Zusammen sind es 10.5 Jahre f0 Funksignale.

Die beiden Zwillinge sind sich also einig: Der zurückgebliebene Bruder altert schneller als der reisende. So wird der Bann der wechselseitigen Zeitdehnung gebrochen. Die Verlangsamung der Zeit wird zur Realität!

Die Betrachtung ist einwandfrei. Die Anwendung des relativistischen Dopplereffekts bedingt automatisch die Anwendung der Formel von der Zeitdilatation von jedem Zwilling für die Bestimmung des Zeitverlaufs bei seinem Bruder. Nichtdestotrotz altern sie verschieden schnell.

Auch wenn die Rechnung stimmig ist, fühlt man sich irgendwie ausgetrickst. Das kennen wahrscheinlich viele und fragen nach, denn gleich wird schon die Erklärung geboten: Während sich der Zwilling auf der Erde die ganze Zeit in Ruhe befindet, wechselt der reisende Zwilling bei der Umkehr das Inertialsystem und, überhaupt, er wird mehrmals hin und her beschleunigt. Dadurch wird er quasi intuitiv zum echten Reisenden. Aber wie wird all das in der Rechnung berücksichtigt?  Gar nicht! Angewendet wird nur die Geschwindigkeit des Reisenden, anders, etwa die Synchronisation der Uhren, wird nicht verlangt. Das wechseln der Inertialsysteme bedingt keine zusätzlichen Erscheinungen, die in der Rechnung extra berücksichtigt werden sollten. Und beschleunigungsphasen rechnen wir mit 0 Sekunden.

Ferner können wir gleiche Beschleunigungsphasen sowie das Wechseln des Inertialsystem beim zurückgebliebenen Zwilling einfügen. Z.B., beide Zwillinge können gleichzeitig vom Erdorbit starten. Einer wird aber gleich danach am Rande des Sonnensystems bremsen und dort auf Rückkehr seines Zwillingsbuders warten. Am Ende der Reise werden sie dann gemeinsam zur Erde fliegen. Dadurch ergibt sich zwar eine kleine Korrektur, aber sie ist eben so klein, dass die Zahlen in obiger Rechnung auf gleiche Werte wieder gerundet werden können.

Den Unterschied macht die Längekontraktion. Aus der Sicht des reisenden Zwillings verküzt sich die Fluglinie Erde  Stern um den Faktor (1 – v2/c2)1/2. Egal wie weit und wie lange gereist, bräuchte er immer weniger Kilometer zurückzulegen, als im Bezugssystem der Erde bestimmt wurde, und kehrt deshalb zur Erde immer jünger als sein zurückgebliebener Bruder zurück.

Zwillingsparadoxon, standard

Warum hat aber der erdgebundene Zwilling keine Gelegenheit die Formel für die Länge-Kontraktion anzuwenden?  Weil die Entfernung bis zum Flugziel im seinem Bezugssystem definiert ist. Und das ist der Trick!

Durch die Festlegung der Entfernung in einem bestimmten Bezugssystem wird die Anwendung der Formel für die Längekontraktion innerhalb des Bezugssystems automatisch verboten. Aus der Sicht der anderen Bezugssystemen erfahren die Längen in diesem gewählten System eine Kontraktion. Aus der Sicht dieses Bezugssystems passiert dasselbe in anderen Bezugssystemen, aber diese Längen interessieren keinem. Die ganze Betrachtung wird auf festgelegte Länge im gewählten Bezugssystem bezogen. Deswegen ist ein beliebiger Weg in diesem Bezugssystem immer am längsten und eine Reise dauert hier am längsten. 
 
Lassen wir und die Länge der Flugstrecke im Bezugssystem des reisenden Zwillings festlegen. Der Reisende will also keine abgekürzten Versionen, sondern 4.2 Lichtjahre in seinem Bezugssystem, d.h. im relativ zur Erde bewegenden Inertialsystem etwa bei der Hinreise, zurücklegen, bzw. er will beobachten, wie schnell die Erde so lange Strecke schafft. Um es sich besser zu vorstellen, markiren wir das Reiseziel der Erde mit einem Meteroiden. Dieser Meteroid befindet sich im Bezugssystem des reisenden Zwillings in Ruhe und ist von ihm 4.2 Lichtjahre entfernt. Aus der Sicht des erdgebundenen Zwillings fliegt der Meteroid genauso schnell und in selbe Richtung wie reisender Zwilling, aber er befindet sich von anderer Seite der Erde oder, anders ausgedruckt, während der reisende Zwilling von der Erde weg fliegt, fliegt der Meteroid auf Erde zu. 

Zwillingsparadoxon, gespiegelt

Ferner, nach der Ankuft, lenkt das Gravitationsfeld der Sonne dem Meteroiden von seinem geradlinigen Kurs ab, kehrt ihn um, sodass er mit gleicher Geschwindigkeit zurückfliegt. Der reisende Zwilling macht einen ähnlichen Umkehr-Manöver, nachdem er 4.2 Lichtjahre zurückgelegt hat, auf selbe Art oder mit Hilfe von den Racketentriebwerken. Der Abstand zwischen reisendem Zwilling und Meteroiden bleibt deshalb immer gleich. Sie sind relativ zueinander stets in Ruhe. 

Der reisende Zwilling sieht, dass die Erde 4.5 Lichtjahre / 0.8c = 5.25 Jahre braucht, um den Meteroiden zu erreichen. Dass die Erde den Meteroiden erreicht hat, erfährt er aber erst nach 4.2 Jahren. Zusammen sind es 9.45 Jahre. Weil sich die Erde entfernt, beträgt empfangene Frequenz ein Drittel der Referenzfrequenz. Daraus ergeben sich 3.15 Jahre f0 Funksignale. Der Rückflug der Erde dauert 5.25 Jahre, davon sieht der Reisende aber nur letzte 10.5 Jahre – 9.45 Jahre = 1.05 Jahre. Empfangene Frequenz ist jedoch dreimal höher als Referenzfrequenz. Daher ergeben sich wieder 3.15 Jahre f0 Funksignale und zusammen 6.3 Jahre f0 Funksignale. Der auf der Erde zurückgebliebene Zwilling hat langsamer gealtert (6.3 Jahre), als der reisende (10.5 Jahre).
 
Für den erdgebundenen Zwilling fliegt das System reisender Zwilling – Meteroid an ihm mit der Geschwindigkeit v = 0.8c vorbei. Daher verkürzt sich der Abstand zwischen reisendem Zwilling und Meteroid auf 4.2 Lichtjahre 0.6 =  2.52 Lichtjahre. Es dauert nur 2.52 Lichtjahre / 0.8c = 3.15 Jahre, bis sich der Meteroid der Erde nähert. Während dieser Zeit entfernt sich der reisende Zwilling. Deshalb beträgt die Frequenz der von ihm empfangenen Funksignale ein Drittel der Referenzfrequenz. Die Anzahl der Funksignale ist dann 3.15 Jahre f0/3 = 1.05 f0. Der Rückflug dauert zwar genauso 3.15 Jahre. Weil die Funksignale vom reisenden Zwilling die Erde die ganze Zeit nachgejagt haben, empfängt der erdgebundene Zwilling gleich nach Umkehr, d.h. nach Wechseln des inertialen Bezugssystems von reisenden Zwilling und Meteroiden, dreimal höher als Referenzfrequenz, somit ergeben sich 3.15 Jahre 3f0 = 9.45 Jahre f0 Funksignale. Zusammen sind es (1.05 Jahre + 9.45 Jahre) f010.5 Jahre f0 Funksignale. Erdgebundener Zwilling kann höheres Alter seines reisenden Zwillingsbruders nur bestätigen.
 
Im Prinzip wurde gerade gezeigt, dass das Zwillingsparadoxon wechselseitig ist, wie die Zeitdilatation selbst. Aber man kann nicht im Ernst behaupten, dass es beids wahr sei, wenn in einem Fall der erdgebundene Zwilling schneller altert und in einem anderen Fall, nur weil wir das Reiseziel vom bewegenden Bezugssystem aus bestimmt haben, umgekehrt, der reisende Zwilling schneller altert. Und rein praktisch, was unterscheidet diese zwei Fälle? In erstem fliegt der reisende Zwilling aus seiner Sicht 2.52 Lichtjahre in eine Richtung und zurück und in zweitem 4.2 Lichtjahre und zurück. In erstem Fall wird sein Bruder älter als er sein und in zweitem umgekehrt, nur weil er ein Stück weiter geflogen war. Nach einer Naturgesetzmäßigkeit sieht das gerade nicht.
 
Eine reale Zeitdehnung kann in der Relativitätstheorie nicht geben. Die Messungen, die die Zeitdehnung nachweisen, bestätigen in keiner Weise die Relativitätstheorie, weil die gemessene Verlangsamung der Zeit dann halt echt ist.
  

 

Siehe auch Zeitdehnung und Einsteins Relativität

   

 

 

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